Donnerstag, 14. Oktober 2010

"Die andere Seite der Geschichte." oder "Laufen in Begleitung."

Endlich ist es so weit. Ich darf einen Gast auf meinem Blog (in meinem Blog?!) willkommen heißen. Den Marathon am Sonntag habe ich ja nicht alleine bestritten sondern wurde freundlicherweise perfekt(est) hasiert. Dank an Markus an dieser Stelle und weil es sicher nicht ganz uninteressant ist, gibt es hier den Lauf aus einer anderen Perspektive.

Ich hatte den Auftrag, sarahemily bei ihrem Marathon-Debüt zu hasieren.
Marathonbespaßer. Race Bunny. Executive Race Assistent. Pace Maker. Der Begriffe gibt es vieler.

Als ich die ehrenvolle Aufgabe annahm, war ich optimistisch, dass das gut ausgehen wird. Meine Erwartungen wurden dann in den letzten Wochen vor dem Marathon stark gedämpft. Die finale Vorbereitung verlief nicht so toll und selbst am Donnerstag war es noch arg kritisch.
Hatte auch kurz überlegt, ob wir das Ganze lieber sein lassen. Man muss ja nicht wissentlich in eine Niederlage, Enttäuschung und in eine größere Verletzung rennen. Ausschlaggebend für pro war die langfristige Vorbereitung und dass sarahemily den Start einfach verdient hat.
So fuhr ich also nach München, in dem Wissen einen Marathon zu starten, aber nicht ob wir ihn finishen.

Es fing mit dem bereits guten Omen an, dass mein ICE 10 Minuten zu FRÜH in München eintraf. Gibt es ja auch nicht so oft.
Sarah getroffen und in der Tram schon die ersten Marathonstarter erkannt. Laufschuhe, graue Tüte und stromlinienförmige Köpfe.
Auf der Marathonmesse Startunterlagen geholt und noch ein paar Gelpacks für Frankfurt gekauft.

Sarah war überhaupt nicht aufgeregt am Samstag. Fand ich auch mal erfrischend. Manchmal hat Rumhibbeln auch so was künstlich reflexartiges. Es war eine Mischung aus Nicht-Kapieren und gesunder Unbekümmertheit. Wir haben uns dann auf Begriff Bliss geeinigt.

Wenn man so locker den Marathon laufen will, dann muss man sich über ein paar Sachen zum Glück keine Gedanken machen. Zum Beispiel: Vorwettkampfernährung. Wiener Schnitzel mit Bratkartoffeln im Sonnenschein gehen wunderbar 20 Stunden vor dem Wettkampf. Es gab aber eine Alibi-Apfelsaftschorle.

Des Weiteren gab es noch sehr originelles PreRace-Programm. "Ich müsste mein Auto mal waschen". Dies wurde dann sportpsychologisch unter Ablenkung gebucht. Der Vorbereitungsmodus hieß Bliss - also muss weiter abgelenkt werden. Auf der Hinfahrt zu Waschanlage wurde noch ein bisschen München gezeigt (ich war da seit Mitte der Neunziger nicht mehr) und dann raus aus dem Dorf.
In der Waschanlage hatten wir dann eine near-death-experience. Uns kam ein Auto entgegen. In der Waschstraße. Zwar rückwärts - aber es reichte. So einen hohen Puls gab es am gesamten Renntag nicht noch mal.
Punkt 2 des Bliss-Programms: IKEA. Muss ich mehr sagen…

Dann noch die Entscheidung. Nudeln daheim oder bei Freundin. Ich kaufte mein Nachwettkampfverpflegung und dann kochen. Freundin eingeladen.
Der Abend war sehr ablenkend. Endlich mal nicht nur über Laufen reden. Ablenkung. Bliss.

Unprofessionellster Augenblick des gesamten Wochenendes: Der PaceMaker hatte seine Startnummer verlegt. Das sorgte leider für unnötige Panik. aber dann war alles gut.
Ich übertrieb natürlich wieder und träumte von einem 100-km-Lauf.

Sonntag:
Der Morgen ist auch entspannt. Immer noch keine wirkliche Unruhe oder Aufgeregtheit. Aber ich tippe mittlerweile eher auf Bammel wie beim Zahnarztbesuch. Was mag da kommen?
Rennklamotten anziehen. Nummer anpinnen. Frühstücken. Chipkontrolle.
Dann endlich: Nervosität. 10 Sekunden Schnappatmung. Ich darf auf die beruhigende Wirkung von langsam Ausatmen hinweisen. Klappt.
Munter ist die Athletin.

Twinings und Honig-Bananen-Mohn sind lecker.

Es gibt keinen Wunsch eines Rückziehers. Alles sehr ruhig. Wettkampffreude kommt auf. Endlich ist der Tag da. Race Day.

Frisch und zapfig. Bei 6 Grad in kurzen Hosen ist man wenigstens nach 3 Minuten an der frischen Luft wach. Ich treffe das sagenumworbene Fabelwesen - Den Trainer.
Sehr netter Typ, hat bis in die Nacht Iron Man geguckt und eine gesunde nüchterne Meinung, warum die Wellington nicht gestartet ist. Einziges Manko: Er fährt von nun an 6 Stunden mit seinem tollen CycloCross und extrem cooler Beleuchtung (Nah- und Fernlicht auf Narbe) neben mir her. Ich will auch ein CycloCross. Jetzt.

Hier mal die kurze theoretische Dramaturgie, worauf ich bei diesen Marathon eingestellt war:
Wir laufen so mit 7er Pace los. Bis km10 alles okay.
Ab km16 Schmerzen und müssen langsamer werden.
HM in 2h40
einfache Aufmunterung und Ablenkung auf dem drögesten Abschnitt.
Schmerzen und erste Gehpausen ab km25
erste Gedanken an ein Aussteigen bei km30 (4h30) - 30km sind eine Leistung, wir haben es probiert
mindestens 2 Interventionen und gutes Zureden - Das BORN-Telefon und mit Gehen kommen wir auch innerhalb des Zielschusses an
dann irgendwann DIE Entscheidung - weiterer Kampf, weitere Qual, Gesundheit, viele Erfolge bis auf den einen, usw.
Wir kommen irgendwie komplett fertig nach großem Leiden an.

Kam alles ganz anders.

Wir laufen los. Die km 1-10 sind für alle Beteiligten ein schöner Trainingslauf. Wetter is a traum. Trinken klappt. Strecke ist schön. Zwischen km11-20 habe ich das Gefühl, das die km-Schilder immer schneller aufeinander folgen. Wir fangen die ersten Klugen ein, die zwar zu schnell losgelaufen sind, dass aber noch ausreichend früh korrigieren.
Insgesamt standen wir in der Startgasse genau richtig. Kurz hinter dem 4h30 Ballon. Ab km10 haben wir mehr eingeholt als uns überholt haben. Das ging bis zum Ende so. Perfekt.
Ab km15 werden wir etwas langsamer. Ist nicht schlimm. Warum soll ich das zum Thema machen? Wir haben Zeit und es geht allen gut. Ich freue mich, dass das Thema Sehne noch nicht angesprochen wurde. Sie würde drücken. Naja, das tut meine Wade auch gerade. Das ist nicht dramatisch.
Auf der ersten Hälfte quasseln wir, gucken uns die Gegend an und sarahemily gibt Einkaufstipps im Englischen Garten.
Wir sind mittlerweile eine Gruppe aus Läufern, Pacemakern und Fans geworden. Sarah, Lars aka Der Ewige Anfänger (zufällig im Startgatter getroffen), der Trainer außerhalb der Strecke auf dem Rad, MaD und Dänen. Laut M seien auch noch 100 Iren hinter uns, die uns einholen wollen. Blimey.

Ich telefoniere mit dem BORN-HQ und schicke Updates über Twitter raus, wo wir gerade sind und wie es uns geht.
Dann hole ich auch noch mal Wasser. Das war es auch schon. Ich bin positiv unterfordert. Bis auf mitlaufen und nicht stinken, muss ich hier nix tun. Außer Laufstil bewundern und in die hellblaue Tröte zu tuten, habe ich nix zu tun.
Achja, einen PowerDrops habe ich noch gereicht.

Wir feiern die 24,3 km. Wir feiern die 3h09. Wir feiern die 30km. Wir feiern den Marienplatz. Der Marienplatz feiert die Athletin.
Dann der Kringel Karolinenplatz & Königsplatz. Das ist so ein typisches Stück bei einem Stadtmarathon, wo man merkt: Hier haben ein paar km gefehlt, wir schicken die Läufer mal da lang, dann hinten links um die Ecke und dann mit einem Abstecher da lang wieder auf die Strecke. 5km von denen ich mir sehr viel mehr versprochen hatte. Leider waren hier die mobilen Dixies wirklich mobil - sie fuhren anscheinend von uns weg. 8 km lang dauert die Suche. Wenn in der Ausschreibung was von alle 5 km steht, ist bei km 35 nicht lustig. München, dat kannste besser. Ich wäre da viel unleidiger gewesen. Die Athletin läuft mit nur mittlerem Murren weiter.

Pace ist mittlerweile auf 8 runtergefallen. Mir tun auch die Beine weh. Ich frage, ob sich langsam das sichere Wissen einstellt, das wir heute ankommen. Ich habe es. Sarah irgendwo auch. Aber noch nicht präsent. Die Erschöpfung ist jetzt doch spürbar.
Das mir am Vortag versprochene Rummaulen erlebe ich heute wohl nicht. Ich packe meinen Methodenkoffer ein und fange auch an, mich auf das Ziel zu freuen.
Schlüsselszene: Am V-Punkt auf der Leopold gehen wir beim Trinken. Die Athletin läuft ohne Aufforderung nach dem Trinken weiter. Einfach so. Sarah läuft Marathon.

Wir werden wieder schneller. Jeden Kilometer 10 Sekunden schneller. Am Start vorbei. Überholen noch viele oder laufen mit anderen mit. Beim Einlauf durchs Marathontor bekomme ich auch Gänsehaut. Wir laufen die Runde. Weiterhin locker und sicher. Keine Ausfallerscheinungen.
Die letzten Meter. Jubelkreisch. Applaus. Umarmung. Geschafft.

Das war so souverän. Ich hatte fast nix zu tun, außer Laufen und ein bisschen Wasserholen. Kein Antreiben. Keine Ansprache. Keinen Krampf. Keine Krise. Keine Kreislaufprobleme.
Das war ein Topp-Debüt.

Treppensteigen gucken war total langweilig. Das sah eher nach 10-km als nach Marathon aus.

Abends noch Stehplätze beim Eishockey war der bekloppte Abschluss eines erfolgreichen Tages. 3:0 und ich habe die Lieder immer noch im Ohr.

♫ Nur sarahemiliy - Marathon in München ♫
♫ Nur sarahemiliy - Marathon in München ♫

Herzlichen Glückwunsch vom Wasserholer. Es war ein unendlicher Spaß.

Wasserholer finde ich ja etwas untertrieben. Aber wenn er meint, der Wasserholer. ;-)

3 Kommentare:

  1. Herzlichen Glückwunsch zu deinem Marathon Debüt!

    Mögen noch viele weitere Läufe folgen,

    LG Patrick

    AntwortenLöschen
  2. Überraschende Ansichten über den Lauf und über das Debüttieren generell. Aber das kennen wir ja von Marcus (sehr angenehm).
    Sehr schön. Danke.

    Und Sarah, was für Schabernack planst Du als nächstes? :-)

    AntwortenLöschen
  3. Bin gespannt, wann das Blog umbenannt wird in "Sarahemilyreißtdenironmaninhawaiieinfachmalsorunter". Das liest sich unglaublich!! Toller Bericht, der zeigt, dass sie nicht unter-/übertrieben hat mit ihrer völlig entspannten Art!! Ihr seid ja ein tolles Team!

    AntwortenLöschen